LEADER Projekt: Silphie-Feld in Pless lockt Mensch & Tier


Artenvielfalt unterm Kirchturm

Idyllischer könnte das Feld kaum liegen. Im Schatten der Heilig-Kreuz-Kapelle am südlichen Ortsrand von Pless beginnt gerade die Silphie von Landwirt Carl Munding zu blühen. Leuchtend gelbe Sterne auf drei Meter hohen Stängeln, ein Anziehungspunkt nicht nur für Insekten und Kleintiere. An diesem Juli-Abend sind gut zwei Dutzend interessierter Nachbarn, Landwirte und Behördenvertreter erschienen, um sich bei Kaltgetränken und Silphie-Honig-Broten über das LEADER-Projekt „Mehr Vielfalt in der Energielandschaft mit Durchwachsener Silphie“ zu informieren. Landrat Hans-Joachim Weirather kommt mit dem Fahrrad zum Acker geradelt.

Auf insgesamt acht Feldern in allen vier Allgäuer Landkreisen war im Frühjahr 2017 Silphie angesät worden. „Wir wollen Erfahrungen sammeln, ob sich diese Dauerkultur als wirtschaftliche Alternative und ökologische Ergänzung zum Mais bewähren kann“, erklärt Uwe Kießling, Projektkoordinator vom Verein renergie Allgäu.

Im ersten Jahr wuchs die nordamerikanische Energiepflanze noch als Untersaat zum Mais und wurde kaum höher als 50 Zentimeter. Im vergangenen zweiten Jahr dagegen erreichte die Staude bereits eine Höhe von drei Metern und konnte im Spätsommer erstmals geerntet werden. „Keine einfache Aufgabe“, erinnert sich Carl Munding an die aufwändige Häcksler-Aktion, bei der die weitverzweigten und vierkantigen Silphie-Stängel immer wieder das Mähwerk  verklebt hatten. Mit 54 Tonnen Frischmasse je Hektar brachte die Silphie in etwa 80 Prozent des Ertrags, der im vergangenen Jahr mit Mais erzielt werden konnten.

„Gar nicht schlecht“, sind sich die umstehenden Landwirte einig – zumal im ersten Erntejahr noch nicht mit vollem Ertrag gerechnet werden könne. „Das wird heuer voraussichtlich nochmal deutlich besser werden“, prognostiziert Landschaftsökologe Uwe Kießling. Dann würden an einzelnen Feldern auch Gasertragszahlen erfasst, um zum Ende des dritten und letzten Projektjahres aussagekräftige Vergleichswerte benennen zu können.

Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Ergebnissen sind die ökologischen Vorteile der Silphie schon vor dem Abschlussbericht genauestens bekannt: Als Tiefwurzler und Dauerkultur beugt die Blühpflanze nicht nur der Bodenerosion, der Verdichtung und der Nitratauswaschung ins Grundwasser vor, sondern sorgt überdies für eine gute Bodendurchlüftung und viel Artenreichtum sowohl unter wie auch über der Erde. Nicht nur Bienen lieben die nektarreichen Blüten, die ihnen bis in den frühen September hinein Nahrung bieten. Entsprechend groß sei das Interesse der Imker an den Silphie-Flächen, erzählt Uwe Kießling von seinen Erfahrungen aus Buchloe, Lauben oder Heimenkirch.

Auch Landrat Hans-Joachim Weirather ist begeistert von dem Projekt. Gerade für Hanglagen, wo der Mais bei Starkregen immer wieder zu heftigen Bodenabschwemmungen führt, könnte die Silphie eine echte Alternative sein. „Und wir brauchen Energiepflanzen, um unsere Biogasanlagen auch künftig betreiben zu können“, berichtet Weirather nicht ohne Stolz, dass der Energiebedarf im Unterallgäu zu immerhin 60 Prozent aus Erneuerbaren Ressourcen gedeckt werden kann.

Finanziert wird das LEADER-Projekt durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, vom Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des Ländlichen Raums, von den vier Allgäuer Landkreisen und vier lokalen Aktionsgruppen. Der Anteil des Unterallgäus, so berichtet Sarah Schmidberger von Kneippland Unterallgäu, liegt bei 14 000 Euro. „Geld, das gut angelegt ist“, freut sich Kreisbäuerin Margot Walser über die leuchtende Blütenpracht auf dem Energieacker, die vor allem vom hölzernen Besucherturm aus besonders gut zu überblicken ist.

Mit Zuversicht den Bestand sichern


Infotage in Ulm bereiten Biogas-Branche auf die Zukunft vor

Auch wenn die politische und wirtschaftliche Lage nach wie vor schwierig ist, bei den Biogas Infotagen in Ulm zeigte sich die Branche ausgesprochen zuversichtlich und gut gelaunt. Die Veranstalter des Kemptener Vereins renergie Allgäu erlebten an den beiden Messetagen 150 zufriedene Aussteller und gut 1300 interessierte Fachbesucher. Damit konnte ein Publikums-Plus von über 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden.

„Es geht nicht mehr um Neu- oder Ausbau, sondern um Bestandssicherung“, zieht Fachberater Stephan Ruile am Tag danach ein erstes Fazit der Biogas-Infotage. Die große Mehrheit der Anlagenbetreiber, die bei ihm und seinen Kollegen am renergie-Allgäu Stand in Halle 1 vorgesprochen hatten, hatten Fragen zur Flexibilisierung oder Direktvermarktung gestellt. Maßnahmen also, mit denen der Betrieb über das Ende des EEG hinaus sichergestellt werden kann.
Auf entsprechend großes Interesse stieß darum auch das neueste Angebot von renergie Allgäu, das Geschäftsführer Florian Weh in Vorträgen und Standgesprächen vorstellte: cells energy, ein Marktplatz für die Energiewende. Auf dieser Online-Plattform präsentieren sich Erzeuger von Erneuerbarer Energie dem Verbraucher, der aus diesem Angebot seine persönlichen Lieferanten der Zukunft wählen kann. „Heute schon den Kunden von morgen gewinnen“, nach diesem Motto bereitet cells energy den Biogasbetreiber auf die Zeit nach dem Ende der staatlichen Förderung vor und schafft gleichzeitig die Grundlage für eine nachhaltige, regionale und transparente Stromversorgung in Bürgerhand.

Ähnlich innovativ und zukunftsweisend präsentierten sich auch die Vortragsreihen in den drei Fachforen. Ob Praktiker oder Forscher – nahezu alle Referenten sprachen vor vollbesetzten Reihen und trafen auf hochinteressiertes Fachpublikum. Entsprechend begeistert zeigte sich beispielsweise Dr. Andreas Lemmer von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie der Universität Hohenheim, der gemeinsam mit seinem Team erstmals das zweitägige Wissenschaftsforum organisiert und durchgeführt hatte. Die Hochschule hatte auch die Ausstellung im Foyer der Messe bestückt, in der über unterschiedlichste Technologien und Forschungsansätze informiert wurde.

Zufrieden zeigten sich auch die rund 150 Aussteller aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Mit der Verlegung des Caterings in Halle 2 war es diesmal gelungen, die Besucherströme gleichmäßig über die gesamte Zeit auf beide Messehallen zu verteilen. Von „gut“ bis „ausgezeichnet“ reichten denn auch die Rückmeldungen der Aussteller. Im Gegensatz zu weitaus größeren Veranstaltungen ähnlicher Art habe man es an beiden Tagen ausschließlich mit Fachpublikum zu tun gehabt, viele konstruktive Gespräche und zielführende Beratungen geführt.

„Aus den beiden Tagen ergeben sich viel mehr Folgeaufträge als aus mancher Messe mit deutlich höherer Besucherzahl“, meldete sich ein Aussteller schon gleich beim Abbau wieder für die Infotage 2020 an. Die finden statt am Mittwoch und Donnerstag, 29. und 30. Januar, erneut in der Messe Ulm. Und genau wie die Biogasbranche selbst denkt auch das Team von renergie Allgäu, allen voran die Messeverantwortlichen Monica Lehmkuhl und Angela Hartmann, in dem Zusammenhang schon jetzt über immer neue Optimierungsansätze und Effizienzsteigerungsmaßnahmen nach.

Keine Energiewende ohne Biogas


Dr. Julia Verlinden, Bundestagsabgeordnete der Grünen zu Gast bei renergie Allgäu – Fordert sofortigen Kohleausstieg

Auf die letzte Frage von Richard Mair, Vorsitzender von renergie Allgäu, hatte Dr. Julia Verlinden sofort eine Antwort. „Was ich tun würde, wenn ich Umweltministerin wäre? Sofort aus der Kohle aussteigen und auf Erneuerbare Energieträger setzen!“  Dabei denkt die Bundestagsabgeordnete der Grünen auch an Biogas. „Es spielt als flexibel steuerbare Quelle im Energien-Mix eine ganz wichtige Rolle“, sprach die Fraktionssprecherin für Energiepolitik bei ihrem Besuch in Kempten den Fachleuten von renergie aus dem Herzen. Um die vollmundig formulierten Klimaschutzziele erreichen zu können, müsse die Politik „dringend und sofort“ den weiteren Ausbau der Erneuerbaren fördern und erleichtern.

Genau das Gegenteil aber sei in den letzten Jahren passiert,  erinnerte renergie-Experte Stephan Ruile den Gast aus Berlin an die Flut von Regulierungen, Verordnungen und Gesetzesnovellen, mit denen vor allem die Biogasbranche immer weiter eingeschränkt wurde und wird. Die ökologischen Vorteile der Biomasse-Verstromung wie Güllevergärung oder Nutzung von Landschaftspflegematerial würden überhaupt nicht mehr berücksichtigt. Gleichzeitig fehlt aufgrund der neuen Ausschreibungsvergütung jede Planungssicherheit. „Gerade hier im Allgäu werden viele kleine Anlagen in den nächsten Jahren dicht machen“, prognostiziert Ruile.

Ein Oberallgäuer Biogasbetreiber bestätigte diese Einschätzung: Auch er sieht keine Perspektive für seine in den 90er Jahren gebaute und 2005 auf 140 kW erweiterte Biogasanlage. Spätestens wenn 2025 die EEG-Umlage ablaufe müsse er den Betrieb einstellen, kündigte der Landwirt an. „Im dem Preiskampf auf dem freien Markt habe ich keine Chance.“ Möglicherweise aber steige er sogar noch früher aus, weil er sich geforderte Investitionen für eine Umwallung nicht mehr leisten kann und will. Damit würden jährlich gut eine Million Kilowattstunden Erneuerbarer Strom vom Markt verschwinden – und sechs Haushalte müssten sich eine neue Wärmeversorgung suchen.

Eine Entwicklung, über die Julia Verlinden nur den Kopf schütteln konnte. „Ursprünglich war das EEG dazu gedacht, den dezentralen Ausbau zu forcieren und die regionale Energiewende zu beschleunigen“, erinnerte sie ans Jahr 2004, als das neu aufgelegte Gesetz große Signalwirkung zeigte. Über die Hälfte aller regenerativen Anlagen sind bis heute in Bürgerhand. „Die Menschen wollen mitmachen“, ist die Politikerin überzeugt. Und nur so könne die Energiewende funktionieren.

Inzwischen aber bewege sich die Regierung im Rückwärtsgang und halte nach wie vor an der Kohleverstromung fest, dem „Klimakiller Nummer 1“, erinnerte sie der stellvertretende renergie-Vorsitzende Thomas Hartmann. „Damit muss Schluss sein“, forderte Julia Verlinden in aller Deutlichkeit. Auch wenn das freilich einen Strukturwandel und große Investitionen für innovative Projekte nach sich ziehe. Noch länger abzuwarten und nichts zu tun würde aber noch viel teurer, verwies die Bundestagsabgeordnete auf die immensen Kosten, die durch die Folgen des fortschreitenden Klimawandels auf das Land zukommen. Und auf die zu erwartenden Strafzahlungen an die EU, weil unter der aktuellen Regierung die festgelegten Klimaschutzziele nicht erreicht würden.

Erste Silphie-Ernten im Allgäu


Silphie-Blüten locken Bienen und Besucher nach Lauben

Gut zwei Dutzend interessierter Anwohner, Landwirte und Imker waren der Einladung zum Info-Abend an der Silphiefläche von Landwirt Frank Bodenmüller (linkes Bild, dritter von links) in Lauben gefolgt. Die hochaufgeschossenen gelben Blüten auf dem Acker wurden von zahllosen Insekten umschwirrt, während Richard Mair vom Verein renergie Allgäu die nordamerikanische Energiepflanze und das LEADER-Projekt für „Mehr Vielfalt in der Energielandschaft mit Durchwachsener Silphie“ vorstellte. Sein besonderer Dank galt Landwirt Bodenmüller für dessen Bereitschaft, als einer von acht Allgäuer Biogasbauern an dem dreijährigen Experiment teilzunehmen.

Mit rund 2000 Euro je Hektar kostete die Ansaat der Dauerpflanze im vergangenen Frühjahr gut 25 Prozent mehr als beim Mais. Erste Ertragsergebnisse liegen erst nach der Ernte im Herbst vor.  „Bisher lief alles nach Plan“, berichtete Bodenmüller von einem schnellen und guten Wachstum der tief wurzelnden Pflanzen bei wenig Dünge- und überhaupt keinem Pestizideinsatz. Die drei Meter hohen Blütenstände ziehen nicht nur Bienen und Hummeln an, auch Rehe und Hasen suchen zur Freude seiner vier Töchter immer wieder Schutz in den dicht stehenden Stauden.

Projekt-Koordinator Uwe Kießling und Vertreter des Kemptener Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die den dreijährigen Versuchsanbau auf insgesamt acht Allgäuer Flächen begleiten, betonten in ihren Erläuterungen vor allem die ökologischen Vorteile der Silphie. Sie bindet beispielsweise Nitrate im Boden, fördert die Humusbildung, beugt als Tiefwurzler der Bodenverdichtung und damit der Erosion vor.

„Für mich war das wichtigste, dass sie ungiftig ist und dem Vieh nicht schadet“, begründete Frank Bodenmüller seine Entscheidung für die Silphie.