Hans-Josef Fell beeindruckt und bewegt nachhaltig
Für nachhaltigen Eindruck und viel hochinteressanten Gesprächsstoff sorgte der Allgäuer Energietag 2018 im Rahmen der Festwoche, heuer erstmals gemeinsam von eza! und renergie Allgäu vorbereitet und durchgeführt. Neben den Impulsvorträgen von eza-Geschäftsführer Martin Sambale (Energiewende Unterallgäu), Josef Diebolder (Bürgermeister und Biogasbetreiber der Gemeinde Lachen), renergie-Allgäu-Projektleiter Florian Weh (Neue Geschäftsmodelle für Biogasanlagen) und Norbert Schürmann (Virtuelles Kommunalwerk der Lechwerke AG) begeisterte vor allem Gastreferent Hans-Josef Fell (Bild rechts) mit seinem rund 45minütigen Appell für die Energiewende – weltweit und sofort!
„Die Zeit drängt!“ mahnte Fell zu unverzüglichem Handeln. Um die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen, müsste die CO²-Emission binnen der nächsten 25 Jahre auf Null reduziert werden, rechnete er dem Publikum vor. Davon aber sei man derzeit weit entfernt. „Auch Deutschland ist längst kein Vorreiter mehr in Sachen Klimaschutz“ attestierte der geistige Vater des Erneuerbaren Energien-Gesetzes der gesamten Weltgemeinschaft ein „völliges Versagen in der Umweltpolitik“ und sprach von einer „Kapitulation vor den Notwendigkeiten“.
Wetterextreme, Wirtschaftskrisen, Klima-Flüchtlinge, Ölkriege, Biodiversitätsverluste – all diese Herausforderungen der Gegenwart sieht Hans-Josef Fell in einem engen Zusammenhang mit fossilen und nuklearen Rohstoffen. „Die Lösungen dafür liegen in den Erneuerbaren Energien“, machte er sich für eine schnelle und kompromisslose „100-Prozent-Erneuerbar“-Versorgung stark. „Und das geht!“, verwies der 66Jährige auf neueste finnische Studien, „auch in den vielzitierten Dunkel-Flaute-Zeiten an trüben, windstillen Novembertagen.“ Ein guter und breiter Mix aller verfügbaren Erneuerbarer Energiequellen könne entgegen aller politischen Behauptungen sehr wohl für bezahlbare Versorgungssicherheit sorgen.
„Man muss nur wollen“, nannte Fell zahlreiche Beispiele von bereits erfolgreich verwirklichten Projekten. Sie reichten vom Energiedorf Wildpoldsried über die CO2-neutralen Allgäuer Explorer-Hotels bis hin zu riesigen PV-Freiflächenanlagen in Italien oder Solarautobahnen in China. „Es geht um den Erhalt unserer Erde“, machte der Gastreferent weitere Vorschläge, die Atmosphäre nicht nur nicht länger zu belasten, sondern zusätzlich von Schadstoffen zu befreien. Humusaufbau, Aufforstung, nachhaltige Landwirtschaft seien hier gute und wichtige Maßnahmen.
„Mit der richtigen politischen Unterstützung können die Erneuerbaren Energien sehr schnell wachsen“, wandte sich Fell in besonnenem, ruhigem Ton direkt an die Landtagsabgeordneten im Saal. Das Argument, das Land könne sich die Energiewende nicht leisten, ehe nicht ein umfassender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturwandel erreicht sei, sei schlichtweg falsch. „Als mit der Änderung des EEG 2012 schlagartig 80 000 Arbeitsplätze in der Solarbranche vernichtet wurden hat auch niemand einen Strukturwandel gefordert,“ forderte Fell das Ende der „verlogenen Diskussion in Bayern.“
Während im vollbesetzten Saal und auf der Empore des Kemptener Kornhauses nahezu atemloses Schweigen herrschte, wurde es in der vordersten Reihe von Minute zu Minute unruhiger. Den bayerischen Staatsminister für Wirtschaft, Energie und Technologie hielt es während des Gastvortrags von Hans-Josef Fell kaum mehr auf dem Stuhl. Immer wieder drehte sich Franz-Josef Pschierer zu seinen beiden Mitarbeitern hinter sich um, diktierte ihnen mit ausdrucksstarken Gesten Unhörbares in den Block und zeigte sich spürbar bewegt von dem, was der Präsident der Energy Watch Group zu sagen hatte.
So sehr gar, dass er sich zu einem ebenso spontanen wie emotionalen Schluss-Plädoyer hinreißen ließ, in dem er sein „Ja“ zur 10-h-Regel nochmals vehement bekräftigte und Fells Einladung zum weiteren Gespräch darüber ausdrücklich ablehnte. Um dann – mit Blick auf Uhr und Terminkalender – Bühne und Saal eiligen Schrittes zu verlassen. Zurück blieb das Gefühl der nachhaltigen Betroffenheit. Und der Gedanke: Wenn alles so schnell ginge in Bayern wie der bayerische Wirtschaftsminister an diesem Mittag, dann bestünde wieder Anlass zur Hoffnung…